Güreş TeknikleriIm April 2011 wurde in Rampa Istanbul die erste Einzelausstellung von Nilbar Güreş in der Türkei eröffnet. Die gut gestaltete und informative Schau umfasst nicht nur ihre jüngste, im Auftrag der Berlin Biennale geschaffene und dort erstmals gezeigte Produktion ÇırÇır (2010), die zum ersten Mal vorgestellte. Die in Wien und Istanbul arbeitende Künstlerin ist unangepasst, selbstbewusst und kosmopolitisch. Sie entwirft subtile Gegenbilder zu stereotypen Rollenklischees und hinterfragt Geschlechterverhältnisse Welchen Weg im Leben man einschlägt, diese Entscheidung treffen oft andere – oder auch die Umstände – für uns. Nicht so in Nilbar Güreş' Video Identity von 2013: Da liegt ein Körper auf der Kreuzung einer staubigen, unbefestigten Straße, zugedeckt mit zwei unterschiedlich gemusterten Stoffen, die unterschiedliche Traditionen, unterschiedliche Geschichten spiegeln. Dann steht die Person – eine Frau – auf, streift beide Stoffe ab, wird sichtbar und geht ihren Weg – ihren eigenen. Schauplatz des Videos ist eine Straße nahe einem Dorf in Anatolien mit kurdisch-alevitischer Bevölkerung, es ist der Heimatort von Nilbar Güreş' Vater. 'Er kam nach Istanbul, um zu überleben, so wie viele andere Kurden', sagt Güres. Dort lernten sich auch ihre Eltern kennen, die gegen den Willen der Familien heirateten, weil sie unterschiedlichen Konfessionen angehörten. Güreş Öncesi Yapılan GösteriBis heute sind die Aleviten in der Türkei nicht offiziell als Minderheit anerkannt, legen den Koran nicht wörtlich aus, sondern suchen die Bedeutung hinter den Offenbarungen – und vor allem beten sie nicht in Moscheen, was einen Machtkampf mit der offiziellen Türkei provoziert: Weil die Aleviten in ihren Gemeinden keine Moscheen dulden, verwehrt man ihnen auch den Ausbau der Straßen. Individuen, die sich nicht zwischen zwei vorgegebenen Wegen entscheiden wollen, sondern ihre eigene Richtung einschlagen – so wie sie selbst – tauchen in Nilbar Güreş' Werk immer wieder auf. So eine freiheitsliebende Figur ist auch ihre Kaktee ( Escaping Cactus, 2014), eine stachelige Heldin, deren skulpturale Gestalt und deren Dornenkleid dank textilen Materials weich geraten ist. Die zähe Pflanze, die in freier Natur zu mächtiger Größe heranwächst, sprengt ihr Blumentopfgefängnis, emanzipiert sich im Laufschritt. Eigensinniger Kaktus Dornig, wehrhaft und mutig: Auf eine augenzwinkernde Art wirkt der eigensinnige Kaktus wie ein Alter Ego der 1977 in Istanbul geborenen Künstlerin. 2014, als sie den Otto-Mauer-Preis der Erzdiözese Wien verliehen bekam, bekannte sie: 'Ich mag keine monotheistischen Religionen; sie mögen Frauen nicht.' Bereits als Kind sei sie 'stachelig' gewesen, erzählt Güreş. Güreş Ile Boks Karışımı Spor Bulmaca'Als Kinder rebellieren wir mehr, als Erwachsener hat man weniger Möglichkeiten dazu.' Die Kunst erlaube ihr, weiter zu rebellieren, sich nicht so oft an Dinge anpassen zu müssen. 'Ich habe Glück. Aber auf der anderen Seite zahlt man auch dafür: Man sperrt sich ein, ist viel allein, einsam.' Güreş MayosuAußerdem sei Kunst Risiko: 'Inspiration kann man nicht garantieren.' Güreş studierte an der Marmara-Universität in Istanbul, bevor sie im Jahr 2000 nach Wien kam und an der Akademie der bildenden Künste bei Walter Obholzer Malerei studiert hat. Die ersten Jahre hier fand sie hart: 'Der durchschnittliche Wiener ist sehr unfreundlich', erinnert sich die Künstlerin an rassistische Beschimpfungen und Xenophobie. Selbst an der Akademie musste sie sich bei der Aufnahmeprüfung die Frage gefallen lassen, wo denn ihr Kopftuch sei. Später kehrte sie Wien gute zwei Jahre lang fast vollends den Rücken: Nach einem Auslandsstipendium 2012 in New York blieb sie noch etwas länger. Dass Wut etwas ist, was sie in ihrer Arbeit antreibt, hält Nilbar Güreş für möglich. 'Aber aus Wut fermentieren sich erst mit der Zeit Ideen', sagt sie.
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March 2019
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